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Die Braunviehzucht in Bayern bis 1965
Treibende Kraft für die Gründung der Allgäuer Herdebuchgesellschaft war Baurat Josef Widmann, der durch Einheirat in die Grossgrundbesitzerfamilie
Hirnbein mit der Landwirtschaft in Berührung kam. So gründete er im Juli 1887 mit Dr. Hans Vogel und Franz Josef Herz in Immenstadt den Milchwirtschaftlichen Verein. Initiator war er auch bei den 1892 entstandenen
Viehzuchtgenossenschaften. Nach einer enttäuschenden Beschickung der 7. DLG-Ausstellung im Juni 1893 in München, mit 38 Tieren aus dem Allgäu, kam es im November 1893 zur Gründungsversammlung der Allgäuer Herdebuchgesellschaft.
Josef Widmann war deren 1. Vorsitzender bis zu seinem Tod im Jahre 1899.
Im Statut der AHG wird in §1 das Zuchtziel formuliert: “Als anzustrebendes Ziel gilt: mit schönen Körperformen möglichst hochwertige
Milchergiebigkeit unter thunlichster Berücksichtigung der Fleischproduktion heranzuzüchten.” Desweiteren war es Ziel, die Fleischleistung durch Kombination mit schwereren Rassetypen aus der Schweiz und Vorarlberg
anzuheben. Die Kennzeichnung der Tiere erfolgte anfangs durch Hornbrand, ab 1899 dann mit Ohrmarken.
Einfuhr von Rindern aus der Schweiz Da im eigenen Zuchtgebiet wertvolle, rassereine Vatertiere kaum vorhanden waren, wurden über viele Jahre hinweg Zukäufe aus der Schweiz getätigt. Erstmals
wurden bereits 1894 11 Bullen aus Einsiedeln und Wädenswil angekauft. Im Jahre 1899 zählten die 88 Herdebuchbullen “fast ausschliesslich zu der Schweizer Rasse, während nur noch ein ganz geringer Theil den Typus der
Montavoner trägt und Bullen des alten, graudachsigen Allgäuer Schlages vollständig aus dem Herdebuche verschwunden sind”. Der Höhepunkt der Importe lag in den Jahren 1900 bis 1906. Von 1907 bis 1912 war die Grenze zur
Schweiz wegen Maul- und Klauenseuche gesperrt. Deshalb wurden in diesen und auch den Folgejahren Tiere aus Vorarlberg und Tirol zugekauft, wobei die Qualität der Tiroler Tiere zu wünschen übrig lies. Im Jahr 1916
beispielsweise, wurden dann trotz widriger Umstände aus der Schweiz wieder
1560 Stück Zuchtvieh, darunter 151 Bullen eingeführt. Bedingt durch die Auswirkungen des 1. Weltkriegs, die Währungsreform im November 1923, anhaltender Rezession mit
hoher Arbeitslosigkeit und starkem Preisverfall bei Milch und Fleisch zwischen 1930 und 1933, sowie immer wieder aufflackernder Tierseuchen, war eine züchterische Arbeit bis 1933 nur unter erschwert en Bedingungen möglich. Im Bild rechts ist Meta 51908, geb. 3.4.1920, zu sehen, die mit 41,5 kg
Tageshöchstleistung und 8110 kg Milch Jahreshöchstleistung bei 3,48% Fett eine Ausnahmeerscheinung darstellt.
Auf die äußere Erscheinung wurde zeitweise besonders geachtet. Hervorzuheben ist hier die Kuh Heldin, geb. 22.10.1930, mit einem
Gewicht von 718 kg und 144,5 cm Widerristhöhe (Kreuzhöhe 147 cm )
Vorarlberger/Montafoner Bullen Während des 3. Reiches bestand die Forderung, dass die Ernährung aus der eigenen Produktion
gesichert werden sollte. Dies führte in der Tierzucht zu kleineren und leichteren Rindern, die aus dem beschränkten Futterangebot den grössten Ertrag erbringen sollten. Bullen aus Vorarlberg und dem
Montafon wurden nun bevorzugt in der Zucht eingesetzt.. In den 30er Jahren trat immer wieder die Maul- und Klauenseuche auf. Die 50er Jahre waren beherrscht von der Bekämpfung der Tuberkulose.  Die Durchschnittsleistung des Graubraunen Höhenviehs beziffert Camenzind in der 14. Auflage des Buches “Handbuch der
Rindviehzucht und Pflege” im Jahre 1936 mit 3324 kg bei 3,67% Fett. In der 22. Auflage dieses Handbuches aus dem Jahre 1949 werden nurmehr 2700 kg bei 3,7%Fett genannt. Kuh Resi, geb. 13.12.1950 erreichte noch gerade 123 cm
Widerristhöhe bei einer Leistung von 4735 kg Milch mit 3,85% Fett im 6,6 jährigen Durchschnitt.
Extremleistun gen Von diesen, für heutige Verhältnisse, minimalen Leistungen gab es
vereinzelte Ausnahmen: So wird in Camenzind’s Handbuch (14. Aufl. 1936) die sogenannte “Weltrekordkuh” Agathe 52657 mit 17188 kg Milch Jahresleistung bei 3,46% Fett (bei 66,1 kg höchster Tagesleistung)
, im Besitz von Gut Zollhaus bei Türkheim, erwähnt. Im Bereich des Reichsverbandes Abt. 6 wird die Kuh Zarin 16420 mit 9023 kg Milch bei 3,85% Fett als beste Kuh hervorgehoben.
Einkreuzung von Brown-Swiss aus den USA Durch die veränderten politischen Bedingungen ergaben sich nach dem 2. Weltkrieg durch die EWG
und den wiederbelebten Welthandel auch im Milchviehbetrieb andere Anforderungen an die Kuh. Die Ergänzung der eigenen Futterbasis durch Zukauf von Kraftfutter wurde möglich. Im Minimum stand
nicht mehr das Futter, sondern die verfügbare Arbeitskraft. Dadurch war jetzt zunehmend die grossrahmige Hochleistungskuh gefragt. Auch durch das Vordringen des “norddeutschen
Niederungsviehs” nach Süddeutschland wurden die Braunviehzuchtverbände gewissermassen gezwungen, eine andere Zuchtrichtung einzuschlagen. Die Ausbreitung der künstlichen Besamung
begünstigte zusätzlich den Einsatz von US-Stieren.
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